Kommentar zum 1. Mai: Ende des Kapitalismus?

Mehr%20als%203000%20am%201.%20Mai%20auf%20der%20revolution%E4ren%20Demo%20in%20N%FCrnberg%20Enteignung und Vergesellschaftung von Banken und Konzernen forderten 3000 DemonstrantInnen der "Revolutionären 1. Mai-Demo" in Nürnberg.

Ein Kommentar von Michael Liebler...

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Den Kommentaren und Berichten der Lokalpresse über die Ereignisse des 1. Mai in Nürnberg war Erschrecken und Erleichterung gleichzeitig anzumerken. Erleichterung, weil die „soziale Unruhe“ nicht wie in Berlin sich in Form von Tumult und Strassenschlachten bemerkbar machte. Erschrecken, weil sich an der linksradikalen Demo so viele Beteiligt hatten. 2500 waren es nach Angaben der Polizei, mehr als 3000 nach Zählung der VeranstalterInnen und nach Schätzung des Autors.

Was den Bürger beunruhigt, ist aber nicht so sehr das Auftreten einer großen Zahl von Menschen,die ihm als GewalttäterInnen geschildert werden.  Dafür gibt es schließlich die Polizei. Es sind die Forderungen der radikalen Linken, die in der aktuellen Krise nicht mehr als völlig absurd erscheinen: „Enteignung und Vergesellschaftung von Banken und Konzernen“. Das dürfte von den Opfern der Krise, denjenigen die um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen nicht auf einhellige Ablehnung stossen und man befürchtet zu Recht, dass der Einfluss radikaler Kräfte wachsen könnte.

Absurd freilich klingt in Bürgerohren der Ruf nach einer sozialen Revolution. Und mal ehrlich: wenn man eine Umfrage unter den DemonstrantInnen vom Freitag veranstaltet hätte, hätte sich vermutlich herausgestellt, dass für die Mehrzahl das Ende des Kapitalismus eine sehr ferne Utopie ist.

Ein ähnliches Ergebnis hätte freilich auch die gleiche Umfrage im Jahr 1900 in Russland erzielt. Man kann sich halt schlecht vorstellen, dass diejenige Gesellschaftsordnung in der man lebt, die seit Menschengedenken existiert, einmal an ihr Ende kommt. Und jede Ordnung, die es je gegeben hat, hat es verstanden, sich als die einzig vernünftige, einzig realistische, einzig gerechtfertigte darzustellen. Je deutlicher die Auswirkung der aktuellen Krise zu Tage treten, desto schwieriger wird es aber werden, an dieses vernünftige zu glauben. Und ein Blick ins Geschichtsbuch lässt nicht die Überzeugung als absurd erscheinen, dass sich die Verhältnisse ändern werden, sondern den Glauben daran, dass sie auf ewig bleiben.

So ist eigentlich die Frage: Wird es eine Gesellschaftsordung nach dem Kapitalismus geben überflüssig. Richtiger ist zu fragen: Wann. Wird das schon bald sein, oder erst in ferner Zukunft.

Es sieht wohl nicht gerade so aus, als würde in diesem Land demnächst eine Revolution ausbrechen. Man braucht sich ja auch nur die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten ansehen, um eine zu einer nüchternen Einschätzung zu gelangen. Allerdings sind Umbrüche nicht allein von einer Summe von Ansichten der Menschen in einer Gesellschaft abhängig. Große Umbrüche passieren immer dann, wenn das bestehende System an seine Grenzen gelangt, weil sich Produktionsweisen verändern, weil die aktuelle Herrschaftsform unglaubwürdig geworden ist, weil die Methoden der globalen Regulation nicht mehr den Verhältnissen entsprechen. Und natürlich, weil Bedürfnisse nicht mehr befriedigt werden können.

Und alle diese Parameter, so will mir scheinen, treffen auf die bestehenden Verhältnisse zu. Und es ist ja auch nicht so, dass den globalen Akteuren diese Probleme nicht bekannt seien. Die Welt befindet sich bereits mitten in einer Neuordnung und es ist lediglich die Frage, ob der Kapitalismus noch einmal in der Lage sein wird sich so zu wandeln, dass er auf längere Dauer den Verhältnissen gerecht wird.

Es ist also nicht unrealistisch, nicht verstiegen, nicht absurd an eine Umwälzung zu denken. Im Gegenteil: Es wäre unverantwortlich den Dingen ihren Lauf zu lassen. „Wir wollen uns Einmischen“. Das war die Botschaft die am Freitag 3000 Menschen auf die Strasse getragen haben. Dafür haben sie meinen Respekt.

 

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